grußwort der Kulturstiftung des Bundes
In nachgelassenen Schriften von Franz Kafka findet sich die Fabel von einem Schiffer mit dem eigentümlichen Namen Hoffnungslos. In einem kleinen Boot mit kleinem Segel fuhr dieser um das mörderische Kap der Guten Hoffnung – „und lehnte sich friedlich zurück. Was sollte er fürchten?“, fragt der Erzähler, da Hoffnungslos „mit der Gewandtheit eines lebendigen Wesens über alle Riffe dieser gefährlichen Gewässer“ hinwegglitt.
An gefährlichen Riffen und Anlässen zur Furcht bietet die Gegenwart dieser 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst keinen Mangel: ungebremste Militarisierung, Justizwillkür und ein „höllenhafter Ökozid“ heißen einige der Krisen, die Zasha Colah als verantwortliche Kuratorin dieser Ausstellung programmatisch betont. Sie bilden den Hintergrund, vor dem Colah ihren Gegenentwurf eines post- apokalyptischen Optimismus entfaltet, dessen Zentrum die zeitgenössischen Künste bilden: „Mit der Gewandtheit eines lebendigen Wesens“ und mit „radikalen Akten der Einbildungskraft“ behaupten sich Kunstwerke gegen ihre Auslöschung, sind so flüchtig, poetisch und beweglich in ihren materiellen und performativen Taktiken, dass sie – wie im Fall der durch eine religiöse Straßenprozession getarnten Performance des in Indien geborenen Künstlers Amol K Patil – kulturelle Institutionen ganz hinter sich lassen und in klandestiner Klugheit dem Zugriff der Zensur entkommen.
Oder sie sind voller Humor. Ein Humor, der wie ein Gegengift wirkt und dadurch ermöglicht, die Kontrolle über die Situation wieder zu erlangen. Wie im Fall des burmesischen Malers, Aktivisten und Performancekünstlers Htein Lin, der – im Kollektiv mit weiteren Verhafteten – den Schergen der Militärjunta gegenüber in dem Augenblick, als ihnen absurd lange Haftstrafen verlesen werden, in Lachen ausbricht. Ein Lachen der Erkenntnis über die brutale Illegalität einer nachgerade kafkaesken Rechtsprechung; zugleich ein emanzipatorisches und also freiheitliches Lachen, das – wie Colah schreibt – die herrschende falsche Ordnung der Welt restrukturiert und verneint. Und auf diese Weise auch die Haltung einer äußerst vielgestaltigen künstlerischen Produktion markiert, die Htein Lin der Bitternis seiner Hafterfahrungen abgerungen hat.
Ein solches Nein zum Status quo ist heute wichtiger denn je. Es gab in der Geschichte der Berlin Biennale kaum einen geeigneteren Zeitpunkt, um in der von Zasha Colah vorgesehenen Weise internationale Perspektiven auf unsere Zeit auszustellen. In einem Europa, in dem Gegner*innen von Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit nach der Macht greifen; in einem Deutschland, in dem die Selbstverständlichkeit einer offenen Gesellschaft und kulturellen Pluralität der Agitation durch die Autoritären ausgesetzt ist. Der politische Druck ist gewachsen. Welche Strategien die zeitgenössische Kunst dem entgegensetzt, zeigt die 13. Berlin Biennale mit 60 Positionen von Künstler*innen aus nahezu 40 Ländern und an Ausstellungsorten, die – wie in früheren Biennale-Ausgaben – über Berlin verteilt sind und sich daher auch als Explorationsangebot einer alternativen Geschichte der Berliner Gegenwart verstehen.
Die Kulturstiftung des Bundes dankt Zasha Colah, ihrem Team und allen mitwirkenden Künstler*innen für ihre Beitrage zu einer Berlin Biennale, die einen Neuanfang markiert: Im Jahr Eins nach Fortgang von Gabriele Horn hat Axel Wieder das Ruder der Berlin Biennale in die Hand genommen. Ihm und dem ganzen Team wünschen wir viel Glück und sind zugleich voller Hoffnung, dass diese 13. Ausgabe der Berlin Biennale ein „lebendiges Wesen“ und ein großartiger Erfolg wird.
Katarzyna Wielga-Skolimowska
Vorstand / Künstlerische Direktorin, Kulturstiftung des Bundes
Kirsten Haß
Vorstand / Verwaltungsdirektorin, Kulturstiftung des Bundes