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09.06.–15.06.
Eine Person mit blonden Haaren hält eine Kamera in der Hand und schaut in die Ferne. Ein grün-gelber Filter liegt über dem Foto.

Milica Tomić, *1960 in Belgrad, Jugoslawien. Orte der Zugehörigkeit: Belgrad, Zenica, Frankfurt am Main, Berlin, Graz, Wien. Verbundenheit: Grupa Spomenik, Four Faces of Omarska, Annenstrasse 53. Buch: Geography of Looking. Matter of Appearance, 2023.

© Simon Oberhofer

Im Juli 1995 stürmten bosnisch-serbische Truppen Srebrenica, das zuvor von den Vereinten Nationen zur „Schutzzone“ für die muslimische Bevölkerung Bosniens erklärt worden war. Sie vertrieben etwa 30.000 Frauen und Kinder gewaltsam aus der Stadt und richteten anschließend mindestens 8.000 Männer und Jungen systematisch hin. Viele der Leichen wurden später exhumiert und auf mehrere Massengräber verteilt, um das Ausmaß der Morde zu verschleiern. Dies geschah unter den Augen der NATO und niederländischer Friedenstruppen, dennoch bleiben viele Fragen offen. In den 30 Jahren, die seitdem vergangen sind, wurden die Identitäten der Opfer und Täter*innen von Srebrenica oft verschleiert, um politisch zweckmäßigen ethnisch-nationalen Narrativen zu entsprechen. So wird selbst denjenigen, die ihr Leben bereits verloren haben, bei Gedenkveranstaltungen erneut ihre Menschlichkeit genommen und sie weden zu ideologischen Markern degradiert.

Milica Tomić beschäftigt die Frage, wie man die Erinnerung an solche Massaker bewahren kann, ohne neue Gewalt zu schüren. Zusammen mit Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen gründete sie die Grupa Spomenik, die mit Bezug auf die Theorie des Psychoanalytikers Jacques Lacan die Bedingungen erforscht, unter denen Kunst und Theorie einen eigenständigen Diskurs über Völkermord und den gegenwärtigen Zustand des permanenten Kriegs führen können.

In ihrer Installation verbindet Tomić Mathemes of Re-association (2008) der Grupa Spomenik, eine Lacansche Analyse des Massakers von Srebrenica, mit dem Film Portrait of MM (1999), den sie nach der Bombardierung Belgrads durch die NATO drehte. Die Künstlerin dokumentiert darin ein Treffen mit ihrer Mutter, Marija Milutinović, die nach ihrer Schauspielkarriere begann, große abstrakte Makramee-Arbeiten in einer Knüpftechnik zu fertigen, die bis ins alte Assyrien zurückreicht. Tomić bezieht sich auf die Form des Knotens, der sowohl in der Praxis ihrer Mutter als auch in der Lacanschen Theorie als Vehikel für Subjektivitäten erscheint, die sich den Skripten des nationalen Traumas entziehen können.

Text: Kate Sutton

Eine Person mit blonden Haaren hält eine Kamera in der Hand und schaut in die Ferne. Ein grün-gelber Filter liegt über dem Foto.

Milica Tomić, *1960 in Belgrad, Jugoslawien. Orte der Zugehörigkeit: Belgrad, Zenica, Frankfurt am Main, Berlin, Graz, Wien. Verbundenheit: Grupa Spomenik, Four Faces of Omarska, Annenstrasse 53. Buch: Geography of Looking. Matter of Appearance, 2023.

© Simon Oberhofer