key1key1
kalender
kalender
09.06.–15.06.
Eine Zeichnung von einem großen blauen Wal, der sieben Personen im Bauch trägt.

Gernot Wieland, Family Constellation with a Fox [Familienaufstellung mit einem Fuchs], 2025, Videostill © Gernot Wieland

Eine Person mit verschränkten Armen sitzt an einem Tisch und blickt in die Kamera. Ein grün-gelber Filter liegt über dem Foto.

Gernot Wieland, *1968 in Horn, Österreich. Orte der Zugehörigkeit: Wandern in den Bergen im Nebel, ohne jegliche Sicht. Buch: Thievery and Songs, 2020.

© Carla Åhlander

Ein Teil von Gernot Wielands neuem Film thematisiert einen Vorgang, dessen Dringlichkeit man sich bewusst ist, der bislang jedoch nur selten erfolgreich in die Tat umgesetzt wurde: die Heilung der Gesellschaft von den traumatischen Folgen der männlich dominierten, kolonialen westlichen Kunstgeschichte. Und die ist ja nur eine von zahlreichen die soziale Ordnung durchziehenden Geschichten, die Unterdrückung produzieren und bestärken.

Therapiemittel der Wahl ist die Familienaufstellung. Die Stellvertreter*innen sind Keramikfiguren, welche Gemälde „großer Meister“, aber auch Mutter, Vater, das Ego, die Freud’sche Psychoanalyse – und einen Fuchs – repräsentieren. Vielleicht gelingt es dieser kulturhistorischen Familienaufstellung Machtmechanismen aufzuzeigen, allerdings ändert sie nichts am Verlust. Wir verlieren nicht nur Menschen, auch die westliche Kunstgeschichte baut auf Verlust: Ihr Gerüst hält nur auf Basis von Enteignungen, kolonialer Raubzüge und der Exklusion marginalisierter Gruppen.

Wie ein Märchenerzähler mäandert Wieland mit seiner Off-Stimme durch Erinnerungen, die manchmal ihre Flügel ausbreiten und als Fiktionen weiterfliegen, um dann urplötzlich wieder hart auf dem Boden der historischen Realität zu landen. Wielands tragikomischer Film und die kollaborative Lecture-Performance nehmen ihren Ausgang in seinem Aufwachsen im Nachkriegs-Österreich der 1970er und 80er Jahre – in einem „Umfeld der Verdrängung“. Der Spannung zwischen Humor und Ernsthaftigkeit wohnt etwas Kindliches inne: Kinder beobachten etwas – und sprechen es schonungslos aus. Walter Benjamin attestierte der Kraft ihrer Gesten und Worte ausgehend von seinen Thesen zum marxistischen Kindertheater etwas Revolutionäres. Vielleicht ist das Melancholische bei Wieland die Trauer darüber, diesen kindlichen Blick verloren zu haben. Auch wenn sein Film zuweilen Themen leichtfüßig behandelt, gibt es keinen Moment, in dem die Schwere von Verlust, Gewalt und Trauma nicht zu spüren ist und das im Inneren Pulsierende – wie dicke, blaue Adern auf einer Hand – von außen erahnbar wird.

Text: Alicja Schindler

Eine Person mit verschränkten Armen sitzt an einem Tisch und blickt in die Kamera. Ein grün-gelber Filter liegt über dem Foto.

Gernot Wieland, *1968 in Horn, Österreich. Orte der Zugehörigkeit: Wandern in den Bergen im Nebel, ohne jegliche Sicht. Buch: Thievery and Songs, 2020.

© Carla Åhlander