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09.06.–15.06.
Fünf Personen posen für ein Gruppenfoto. Sie tragen Kostüme und eine Person ist nackt mit Illustrationen auf ihrem Körper. Einige von ihnen tragen eine Kopfbedeckung. Ein grün-gelber Filter liegt über dem Foto.

Exterra XX – Künstlerinnengruppe Erfurt, 1984–1994 in Erfurt, DDR. Verbundenheit: NOART Punks, Frauen für Veränderung. Buch: Hosen haben Röcke an. Künstlerinnengruppe Erfurt 1984–1994, 2023.

Kernmitglieder*: Angelika Hummel, Bettina Neumann, Claudia-Morca Bogenhardt, Elke Carl, Gabriele Göbel, Gabriele Stötzer, Harriet Wollert, Ina Heyner, Ingrid Plöttner, Margarete Ehrhard (Birgit Quehl), Marlies Schmidt, Monika Andres, Monique Förster, Tely Büchner, Verena Kyselka.

© Christiane Wagner

KW Institute for Contemporary Art

Exterra XX – Künstlerinnengruppe Erfurt war im letzten Jahrzehnt vor der deutschen Wiedervereinigung und einige Jahre danach, von 1984 bis 1994, in der ehemaligen DDR aktiv und entwickelte sich von einer Randgruppe der Kunstszene zu einem kulturellen Zentrum in der konservativen Landeshauptstadt Thüringens.

Die ungeheure Wandlungsfähigkeit der Gruppe beruht auf dem freigeistigen Ansatz ihrer um die 15 Mitglieder* und der Vielfalt ihrer Aktivitäten wie Salonveranstaltungen, Filmproduktionen, Mode-Objektshows, Performances, Ausstellungsorganisation und Institutionsaufbau. Er zeigt sich auch in ihren unzähligen Namensänderungen im Lauf der Zeit. Selbstbezeichnungen wie Avantfemme, Undine, Atlantis und Exterra XX deuten auf die radikal feministische Ausrichtung und ein Kraftpotenzial hin, das sich bei allen Frauen in den Jahren entwickelt hatte.

Das für die Artists’ Street ausgewählte Material liefert dokumentarische Belege für einen der flüchtigsten Aspekte ihrer vielfältigen Praxis: ihre Modenschauen mit fantasievollen Performance-Modeobjekten. Bei diesen Veranstaltungen präsentierten die Frauen ihre selbst entworfenen, auf Träumen und Traumata basierenden Kostüme einem Publikum aus Unterstützer*innen, anderen Künstler*innen und Kreativen aus der in den 1980er Jahren weitgehend im Untergrund agierenden Erfurter Szene. Sie könnten als sinnbildlichste Aktivität des Kollektivs bezeichnet werden, da sie die gewagte karnevaleske Stimmung zum Ausdruck bringen, die für mittelalterliche Marktplätze typisch ist und aus der ihre in Erfurt praktizierte Kunst hervorging. Im Gegensatz dazu steht das Ethos des Politischen im Privaten, das aus den Narben und Ängsten der Stasi-Ära entstand, und von dem sich die Gruppe emanzipierte, um zu einer selbstbewussten weiblichen Kulturbewegung zu werden.

Ehemaliges Gerichtsgebäude Lehrter Straße

Als Entität, die nur durch das Gesetz existiert, wird der Staat alle Mittel eben dieses Gesetzes nutzen, um sich selbst zu erhalten. Das Ministerium für Staatssicherheit wurde 1950 gegründet, um die Bürger*innen der damaligen DDR durch ein Netzwerk ziviler Informant*innen zu überwachen. Ihre Taktiken waren hintergründig und brutal und basierten auf Formen der Zersetzung und dem Einsatz der Bürokratie als Waffe, um Einzelpersonen von der Gemeinschaft zu isolieren und das Potenzial für kollektives Handeln in bedeutendem Umfang einzuschränken.

In diesem Kontext entstand die Exterra XX – Künstlerinnengruppe Erfurt. Das Kollektiv wurde 1984 gegründet und entwickelte sich aus einer Zusammensetzung von Frauen, die sich regelmäßig trafen und sich über künstlerische Ideen austauschten, zu einer aktiven Künstlerinnengruppe, die Filme, Performances, Mode und andere Formen der bildenden Kunst und des Designs produzierte und ausstellte. Wie das Mitglied Monika Andres zusammenfasste: „Wir waren Furien, ordinäre Weiber, Frauen, die in keine Klischees passten, nicht einmal in das der Aussteiger, Alternativen, Punker, Hippies, ‚Kirchies‘ oder Künstlerinnen.“

Am frühen Morgen des 4. Dezember 1989 – nur wenige Tage nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems in der DDR – wurden in Erfurt und anderen ostdeutschen Städten erhöhte Luftverschmutzungswerte gemessen. Dies bestätigte die Gerüchte, dass in den Zentralen der Stasi Akten verbrannt wurden. Fünf Frauen, darunter Mitglieder* der Exterra XX – Künstlerinnengruppe Erfurt, initiierten eine kollektive Aktion, die später als „größte Performance“ der Gruppe bezeichnet werden sollte. Sie drohten, die Stasi wegen der Zerstörung von Volkseigentum zu verklagen, besetzten die Stasi-Zentrale in Erfurt und ermächtigten sich so der Beweise ihrer jahrelangen Unterdrückung.

Text KW Institute for Contemporary Art: Claire Tancons

Text Ehemaliges Gerichtsgebäude Lehrter Straße: Kate Sutton

Fünf Personen posen für ein Gruppenfoto. Sie tragen Kostüme und eine Person ist nackt mit Illustrationen auf ihrem Körper. Einige von ihnen tragen eine Kopfbedeckung. Ein grün-gelber Filter liegt über dem Foto.

Exterra XX – Künstlerinnengruppe Erfurt, 1984–1994 in Erfurt, DDR. Verbundenheit: NOART Punks, Frauen für Veränderung. Buch: Hosen haben Röcke an. Künstlerinnengruppe Erfurt 1984–1994, 2023.

Kernmitglieder*: Angelika Hummel, Bettina Neumann, Claudia-Morca Bogenhardt, Elke Carl, Gabriele Göbel, Gabriele Stötzer, Harriet Wollert, Ina Heyner, Ingrid Plöttner, Margarete Ehrhard (Birgit Quehl), Marlies Schmidt, Monika Andres, Monique Förster, Tely Büchner, Verena Kyselka.

© Christiane Wagner