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09.06.–15.06.
Eine Person mit langen dunklen Haaren sitzt auf dem Boden und schaut direkt in die Kamera. Ein grün-gelber Filter liegt über dem Foto.

Margherita Moscardini, *1981 in Livorno, Italien. Buch: Margherita Moscardini. Metropolitan Voids Agency, 2025.

© Gian Marco Casini

Die Treppenarchitektur in den KW Institute for Contemporary Art ist eine begehbare Skulptur von Margherita Moscardini. In jeden der 561 Steine ist eine Nummer eingraviert – ein Verweis auf seinen rechtlichen Status: Moscardini hat die Steine staatenlosen, staatenübergreifenden und extraterritorialen Organisationen und Nationen – wie Universitäten, Indigenen Gruppen und autonomen Regionen – geschenkt, und diese dann gebeten, sie als Bausteine für die Treppe zu spenden. Eine Reihe von Zertifikaten, die auch ausgestellt werden, verweist darauf, dass die Steine nun niemandem gehören. Mit der Skulptur materialisiert Moscardini im Rahmen einer Kunstinstitution ein Gedankenexperiment zu nationalem Recht: Wie lassen sich „neutrale“ Objekte schaffen, die nicht zum Hoheitsgebiet desjenigen Staates gehören, auf dem sie sich eigentlich befinden?

Die Form von The Stairway erinnert an den Hof des Mariengrabes in Ost-Jerusalem. Dort gilt das Konzept des Status quo, das den gleichberechtigten Zugang zu multireligiösen Stätten in Jerusalem und Bethlehem regelt. Es wurde 1852 in einem osmanischen Dekret fest- und in Friedensverträgen, wie dem Berliner Vertrag 1878, fortgeschrieben. Bis heute ermöglicht der Status quo einen rechtlichen Raum, dessen Ziel es ist, ein hierarchiefreies Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens zu schaffen. Moscardini überträgt diese Idee aus dem Sakralen in ein Experiment zu nationalem Gesetz und Gemeingut im Rahmen der Kunst, in dem sie einen Raum schafft, der sich aus „staatenlosen“ Steinen zusammensetzt. Sie untersucht, welche universellen Formen von Staatsbürger*innenschaft denkbar sind – solche, die weder auf territorialer Zugehörigkeit noch auf Verwandtschaft beruhen. Und sie erinnert an etwas, das sich angesichts der Privatisierung von öffentlichen Räumen und Migrationsdebatten vergessen lässt: dass wir alle Gäste auf diesem Planeten sind, der vormals niemandem gehört hat.

Text: Alicja Schindler

Eine Person mit langen dunklen Haaren sitzt auf dem Boden und schaut direkt in die Kamera. Ein grün-gelber Filter liegt über dem Foto.

Margherita Moscardini, *1981 in Livorno, Italien. Buch: Margherita Moscardini. Metropolitan Voids Agency, 2025.

© Gian Marco Casini