Kikí Roca, Las Chicas del Chancho y el Corpiño


Kikí Roca, Las Chicas del Chancho y el Corpiño, El Corpiño [Der BH], 1995/2025, Installationsansicht, 13. Berlin Biennale, KW Institute for Contemporary Art, 2025. Courtesy Kiki Roca, Las Chicas del Chancho y el Corpiño; Bild: Diana Pfammatter; Eike Walkenhorst
ausstellungsort

Kikí Roca, *1961 in Córdoba, Argentinien. Orte der Zugehörigkeit: Córdoba. Verbundenheit: Las Chicas del Chancho y el Corpiño, Costuras Urbanas. Project: La piel soporta, 2012.
© Marive Paredes
Die Verwendung von Ironie und Humor mit Genderbezug gegen patriarchale Macht hat in der Geschichte feministischer Politiken eine lange Tradition und verbindet im künstlerischen Aktivismus häusliche Referenzen mit Gesellschaftskritik und karnevalesker Ästhetik. Der abwesende Körper ist in der staatlichen Rhetorik des „Verschwindens“, mit der die Morde an politischen Gegner*innen während der Militärdiktatur in Argentinien (1976–1983) vertuscht werden sollten, ein brisanter Signifikant. In der Zeit nach dem Ende der Diktatur diente der abwesende weibliche Körper in El Corpiño, einem überdimensionalen BH, der von einem Frauenkollektiv unter der Leitung von Cristina „Kikí“ Roca geschaffen wurde, als Chiffre für die Politik, die in Córdoba ihren Anfang nahm. Die Stadt in Argentinien hat eine lange Geschichte des Widerstands gegen die Diktatur – von der Universitätsreform 1919 (angestoßen durch den Großvater der Künstlerin, Deodoro Roca) bis zum Cordobazo, dem entscheidenden Volksaufstand im Jahr 1969.
Die ironische Reaktion der Künstlerinnen („Wie lange noch ...“) auf eine maskulinistische Äußerung des damaligen Provinzgouverneurs („... müssen wir ihr [der Krise] die Brust bieten ...“) ist auf ein Etikett geschrieben, das zwischen den BH-Körbchen baumelt. Mit der Umkehrung der Geschlechter (weibliche Brüste anstelle der männlichen Brust) kritisieren sie den korruptionsbedingten wirtschaftlichen Niedergang vor dem Hintergrund umfassenderer Forderungen nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung durch die Mütter und Großmütter der Verschwundenen auf der Plaza de Mayo in Buenos Aires.
30 Jahre nach seiner erstmaligen Präsentation im öffentlichen Raum stellt sich die Frage, was der Riesen-BH nach seinem Transfer von einem der wichtigsten politischen Schauplätze Córdobas in den Innenraum einer öffentlichen Kunstinstitution in Berlin bewirken wird, denn laut Kikí Roca sind „Interventionen mittlerweile institutionalisiert, ebenso wie die Diskussion über Kunst und Politik, die sich mit ihren Räumen im Netz, Foren und Seminaren in einem ganz anderen Umfeld als damals bewegt“.
Text: Claire Tancons
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Kikí Roca, *1961 in Córdoba, Argentinien. Orte der Zugehörigkeit: Córdoba. Verbundenheit: Las Chicas del Chancho y el Corpiño, Costuras Urbanas. Project: La piel soporta, 2012.
© Marive Paredes

Kikí Roca, Las Chicas del Chancho y el Corpiño, El Corpiño [Der BH], 1995/2025, Installationsansicht, 13. Berlin Biennale, KW Institute for Contemporary Art, 2025. Courtesy Kiki Roca, Las Chicas del Chancho y el Corpiño; Bild: Diana Pfammatter; Eike Walkenhorst

Kikí Roca, Las Chicas del Chancho y el Corpiño, El Corpiño [Der BH], 1995/2025, Installationsansicht, 13. Berlin Biennale, KW Institute for Contemporary Art, 2025. Courtesy Kiki Roca, Las Chicas del Chancho y el Corpiño; Bild: Diana Pfammatter; Eike Walkenhorst