floral —
Ceija Stojka, Erika Kobayashi, Fredj Moussa, Hannah Höch, Nyi Pu Lay und Ma Thida, OMARA Mara Oláh, Steve McQueen


Ausstellungsansicht, floral, 13. Berlin Biennale, KW Institute for Contemporary Art, 2025; Bild: Eberle & Eisfeld. Von links nach rechts: Ceija Stojka, Ohne Titel, 2011. © VG Bild-Kunst, Bonn 2025; Hannah Höch, Im Park, Original von 1945. © VG Bild-Kunst, Bonn 2025; Sammlung Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur; Erika Kobayashi, Cherry blossoms 1938 [Kirschblüten 1938], 2025. © Erika Kobayashi; Yutaka Kikutake Gallery, Tokyo; OMARA Mara Oláh, Mara’. s Garden – Mara’s Scribbles [Maras Garten – Maras Skizzen], 2015–2017. Courtesy Everybody Needs Art; Longtermhandstand, Budapest; Nyi Pu Lay, Blumenstudie, 2021–2023 (versteckte Arbeit); Ma Thida, Lotus and Water Hyacinth [Lotus und Wasserhyazinthe], 2025 (Textarbeit). © Ma Thida; Fredj Moussa, وَردَة, Flower’s Culture [Rose, Kultur der Blumen], 2023. © VG Bild-Kunst, Bonn 2025; Hannah Höch, Ohne Titel, undatiert. © VG Bild-Kunst, Bonn 2025; Sammlung Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur; Steve McQueen, Bounty 45 [Kopfgeld 45], 2024. © Steve McQueen; Thomas Dane Gallery, Marian Goodman Gallery
ausstellungsort
Ceija Stojka, *1933 in Kraubath an der Mur, Österreich–2013 in Wien, Österreich. Verbundenheit: Ceija Stojka International Association. Buch: Träume ich, dass ich lebe? Befreit aus Bergen-Belsen, 2005.
Erika Kobayashi, *1978 in Tokyo, Japan. Orte der Zugehörigkeit: Tokyo. Buch: Girls, Making Paper Balloon Bombs, 2024.
Fredj Moussa, *1992 in Paris, Frankreich. Orte der Zugehörigkeit: Tunesien.
Hannah Höch, *1889 in Gotha, Deutsches Kaiserreich–1978, West-Berlin, BRD. Verbundenheit: Dada, Berlin.
Ma Thida, *1966 in Rangoon, Burma. Orte der Zugehörigkeit: Yangon, Berlin. Verbundenheit: PEN Myanmar, PEN International. Buch: A-Maze. Myanmar Struggle for Democracy, 2011–2023, 2024.
Nyi Pu Lay, *1952 in Mandalay, Burma–2023, in Mandalay, Myanmar. Verbundenheit: PEN Myanmar, Ludu publishing house. Buch: The Sweet Honey Drop on the Sharp Scalpel Blade, 2016.
OMARA Mara Oláh, *1945 in Monor, Ungarn–2020 in Szarvasgede, Ungarn. Verbundenheit: Mara Gallery. Autobiografie: The Gypsy Mother Deserves a Crown, 2006.
Steve McQueen, *1969 in London, Großbritannien. Orte der Zugehörigkeit: Amsterdam, London. Buch: Steve McQueen. Bass, 2024.
Die Ausstellung eröffnet mit einer Reihe von Blumenstudien, die acht Kunstwerke aus verschiedenen Regionen und Kontexten zu einem Garten zusammenführt. Dieser Garten erscheint in Form einer Linie, die sich jedoch in alle Richtungen bewegt – wie es pflanzliches Leben nun einmal an sich hat –, um ganz unterschiedliche Geschichten zu flüstern.
Damit verweist dieser Bereich der Ausstellung auf die überraschend hohe Zahl zeitgenössischer Künstler*innen, die in unterschiedlichen Medien arbeiten und alle der Darstellung von Blumen in einer Art Nebenpraxis nachgehen: eine bescheidene, teilweise hinter verschlossenen Türen ausgeübte Betätigung. Die genaue Bedeutung dieser Werke abzustecken, erwies sich in der Begegnung mit ihnen während der Recherche als schwierig. Viele dieser floralen Arbeiten wurden im Exil oder im Versteck geschaffen. Sie tragen die Erinnerung an Traumata in sich – an Landschaften, die gezeichnet sind von Vertreibung und der historischen Ausbeutung vitaler Kräfte.
Die Blumenstudien vermitteln ein Moment der Ruhe oder scheinbaren Passivität. Auch wenn der Akt des Zeichnens, Malens oder Fotografierens von Blumen keine kontroverse Tätigkeit darstellt, steht hier doch der Aspekt der Beharrlichkeit im Vordergrund – der Drang, weiterzuarbeiten, selbst in schrecklichen mentalen Zuständen oder unter anderen belastenden Umständen. Mal steht dahinter der Wunsch nach einer Fortführung der Praxis um ihrer selbst willen als eine Form des Widerstands, dann wieder schmuggeln die Studien versteckte Botschaften.
Dieser Bereich der Ausstellung ist inspiriert von dem Künstler und Dichter Nyi Pu Lay, der untertauchte und in seinem Versteck starb. Die Zeit des Rückzugs verbrachte er mit der Anfertigung von Blumenstudien. Bis heute ist jeder Versuch der Beschaffung seiner Gemälde zu riskant, da der geheime Aufbewahrungsort seines Gesamtwerks dadurch preisgegeben werden könnte. Wenngleich keine seiner Arbeiten hier ausgestellt ist, kann möglicherweise das ausführliche Werklabel, das von der mit ihm befreundeten Autorin Ma Thida verfasst wurde, die fehlende Blume in die Vorstellung der Betrachter*innen einpflanzen.
Fredj Moussas Blume entstand aus einer wiederkehrenden Geste des Zeichnens und Malens. Einige seiner Blumenbilder sind mit Beschriftungen versehen, etwa mit dem Wort warda, das auf Arabisch „Rose“ bedeutet, und zugleich der Name einer Pastamarke ist. Andere wiederum tragen Datumsangaben, von denen lediglich eine Zahl verblieben ist, was die Alltäglichkeit des Aktes betont. Dennoch sind die Blumenmotive imaginär – hervorgegangen aus einer Atelierpraxis, die der Absurdität des Zeichnens fiktiver Blumen aus imaginären Ländern nachspürt.
Der in der Karibik gelegene Inselstaat Grenada wurde von europäischen Siedler*innen kolonisiert. Die französischen Kolonialherren löschten die Indigene Bevölkerung, die Karib*innen, aus und brachten anschließend afrikanische Sklav*innen auf die Insel, um dort großflächige Plantagen anzulegen. Steve McQueen fotografierte 2024 die Blumen Grenadas, die eine Konstante im Verlauf der zahlreichen schicksalhaften Wendungen der Inselgeschichte bilden. Seine Aufnahmen der ebenso schönen wie rätselhaften und kraftvollen Gewächse tragen in Verbindung mit dem dissonanten, alarmierenden Titel der Werkserie zu der disharmonischen Verschränkung von Schönheit und Brutalität bei, die für diesen Bereich der Ausstellung prägend ist.
Hannah Höch, bekannt für die von ihr gestalteten Puppen und politisch scharfsinnigen, ironischen Fotomontagen, war Teil der pazifistischen, während des Ersten Weltkriegs aufgekommenen Dada-Bewegung in Berlin, die sich gegen den Krieg und die Bourgeoisie richtete. Als bisexuelle Ex-Kommunistin und Ex-Dadaistin auf der schwarzen Liste stehend und mittellos, begab sich Höch 1939 ins selbst gewählte Exil an den Berliner Stadtrand: in ein im Tegeler Forst gelegenes altes Wärterhaus, vor dem sie einen Wohnwagen abstellte. Ihre Fotomontagen und Objekte sowie die Werke anderer Dada-Künstler*innen vergrub sie im Garten vor dem Haus. Über diesem Versteck in der Erde gestaltete sie eine heute noch erhaltene Gartenanlage – als eine Collage aus Gemüsepflanzen, Blumen und – so wird gemunkelt – vom NS-Regime verbotenen Pflanzenarten.
Die Blumenstudie von Erika Kobayashi flüstert uns die Geschichte einer Theatertruppe japanischer Mädchen zu, die zur Anfertigung von Papierballons gezwungen wurden, mit denen Bombenlasten über starke Winterwinde in die USA getragen werden sollten. Als die Truppe 1938 auf Tournee durch das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland ging, trug sie Seidenkimonos mit Kirschblütenmotiven. Die Kirschblüte steht als doppeldeutiges Sinnbild für die imperiale Macht Japans und seine expansionistischen Träume der 1930er Jahre. Zugleich betont Kobayashi hier die Resilienz der Blüte angesichts der Gefahr nuklearer Vernichtung und geht damit über ihren herkömmlichen Symbolgehalt hinaus.
Ceija Stojka, die wohl bekannteste Romni-Künstlerin, malte Szenen aus der Erinnerung an ihre Internierung in den Konzentrationslagern Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen. In diesem Werk von absoluter Zurückgenommenheit, das 2011 entstand, wird die Atmosphäre der Angst in der eigentümlichen Konzentration des Bildausschnitts auf die spiralförmige Anordnung der Pflastersteine spürbar. Die Militärstiefel in der oberen rechten Ecke wirken bedrohlich, während kleine gelbe Blumen zwischen den Steinen hindurch emporwachsen.
Der Zufluchtsgarten der Künstlerin OMARA Mara Oláh erscheint hier in einer Komposition aus Mohnblumenbeeten und fügt sich zu einer auf Zigarettenschachteln gemalten Landschaft. Zigarettenpackungen – ebenso wie Holzstückchen und Tarotkarten – dienten der Künstlerin häufig als Medium, um eindrucksvolle, wütende und erotische Werke mit Szenen aus ihrem Leben als Teil der ungarischen Rom*nja-Gemeinschaft zu gestalten. Oft tragen die Arbeiten auch gewagte, kühne oder humorvolle Beschriftungen.
Text: Zasha Colah und Valentina Viviani
ausstellungsort
Ceija Stojka, *1933 in Kraubath an der Mur, Österreich–2013 in Wien, Österreich. Verbundenheit: Ceija Stojka International Association. Buch: Träume ich, dass ich lebe? Befreit aus Bergen-Belsen, 2005.
Erika Kobayashi, *1978 in Tokyo, Japan. Orte der Zugehörigkeit: Tokyo. Buch: Girls, Making Paper Balloon Bombs, 2024.
Fredj Moussa, *1992 in Paris, Frankreich. Orte der Zugehörigkeit: Tunesien.
Hannah Höch, *1889 in Gotha, Deutsches Kaiserreich–1978, West-Berlin, BRD. Verbundenheit: Dada, Berlin.
Ma Thida, *1966 in Rangoon, Burma. Orte der Zugehörigkeit: Yangon, Berlin. Verbundenheit: PEN Myanmar, PEN International. Buch: A-Maze. Myanmar Struggle for Democracy, 2011–2023, 2024.
Nyi Pu Lay, *1952 in Mandalay, Burma–2023, in Mandalay, Myanmar. Verbundenheit: PEN Myanmar, Ludu publishing house. Buch: The Sweet Honey Drop on the Sharp Scalpel Blade, 2016.
OMARA Mara Oláh, *1945 in Monor, Ungarn–2020 in Szarvasgede, Ungarn. Verbundenheit: Mara Gallery. Autobiografie: The Gypsy Mother Deserves a Crown, 2006.
Steve McQueen, *1969 in London, Großbritannien. Orte der Zugehörigkeit: Amsterdam, London. Buch: Steve McQueen. Bass, 2024.